Wenn man bedenkt, dass eine Grippe oder Lungenentzündung mehrere Wochen Erholungszeit nach sich zieht, ist es nicht überraschend, dass sich viele einige Zeit nach COVID-19 noch nicht wiederhergestellt fühlen. Als Long-Covid werden Beschwerden nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) bezeichnet, welche mehr als vier Wochen anhalten.
Nach zwölf Wochen haben sich jedoch die meisten erholt. Wenn die Beschwerden länger als zwölf Wochen anhalten, spricht man von Post-Covid-Syndrom. Ungefähr 10-20 % haben nach COVID-19 anhaltende Beschwerden, oft junge fitte Personen, sehr häufig auch nach leichtem Verlauf der akuten Infektion.
Die Beschwerden sind sehr vielfältig. Am häufigsten wird eine Erschöpfung (Fatigue) berichtet, mit Einbruch nach Anstrengung und verlängerter Erholungszeit, aber auch kognitive Probleme („Brain fog“, Einschränkungen von Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit usw.), Kurzatmigkeit, Atem- und Verdauungsbeschwerden, Kopf- oder anderweitige Schmerzen, Schwindel, Herzrasen und anhaltende Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns.
Manche behaupten, Long-Covid sei eine Modekrankheit oder rein psychosomatisch. Viren sind aber anerkannte Auslöser für Postvirale Erschöpfungssyndrome. So hatten fast zwei Drittel der Betroffenen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Erschöpfungssyndrom einen viralen Infekt zu Beginn der Erkrankung. Und auch nach SARS (2002 bis 2004, ausgelöst durch einen ganz ähnlichen Virus wie die jetzige Pandemie) wurden Langzeitfolgen oft beobachtet.
Die WHO und alle relevanten medizinischen Organisationen und Fachzeitschriften anerkennen Long-Covid mit all den schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, und die Gesellschaft.
Insbesondere nach einem leichten Verlauf, wenn COVID-19 ambulant behandelt wurde, sind diagnostische Standardmethoden fast immer unauffällig (zum Beispiel Röntgen und CT der Lunge oder Testung der Lungenfunktion bei Atembeschwerden). Eine kleine britische Pilotstudie konnte jedoch mit einem ganz neuartigen Verfahren (hyperpolarisiertes Xenon-MRI) einen gestörten Gasaustausch in der Lunge nachweisen*. Unsere diagnostischen Standardmethoden können gewisse Störungen nicht nachweisen, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass diese psychosomatisch sind!
Die Behandlung von Long-Covid/Post-Covid ist symptomatisch und unterstützend (supportiv). Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es leider keine spezifische Therapie und keine wissenschaftlich erwiesene Heilung. Das ist jedoch kein Grund für Hoffnungslosigkeit. Bei einer Mehrheit der Betroffenen können durch individuell zusammengestellte Therapien die Beschwerden deutlich gelindert und die Lebensqualität verbessert werden. Zentral ist dabei das Pacing, also eine vorsichtig dosierte Belastung unterhalb der individuellen körperlichen und geistigen Limite. Unterstützend werden gewisse Medikamente eingesetzt.
Die Spezialist:innen des Long-Covid Netzwerks Solothurn klären leicht bis mittelschwer von Long-Covid Betroffene ab, schliessen andere Erkrankungen aus und therapieren fachgerecht nach aktuellen Leitlinien und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Zuweisung erfolgt über Hausärzt:innen, welche gebeten werden, Vorabklärungen vorzunehmen (siehe Schema).
Das folgende Schema zeigt den Ablauf von der Zuweisung durch Hausärzt:innen an das Long-Covid Netzwerk.
Wir bitten die Hausärzt:innen, Vorabklärungen durchzuführen (s. Diagramm) und die Resultate der Zuweisung an Frau Dr. med. Maja Strasser beizulegen. Maja Strasser ergänzt die Abklärungen und entscheidet über die weiteren Schritte innerhalb des Long-Covid Netzwerks.
EKG, Blutdruck, Herzfrequenz, Temperatur, Sauerstoffsättigung, 10 Min. passiver Stehtest.
Differenzialblutbild, INR, pTT, Fibrinogen, D-Dimere, CRP, Glucose, Kreatinin, Elektrolyte, Transaminasen, Komplement C3/C4, Gesamteiweiss, TSH, fT4, Cortisol basal, ACTH, Ferritin, Holotranscobalamin, 25-OH-Vitamin D, Autoantikörper gegen Cardiolipin (IgG und IgM) sowie gegen Beta2-Glykoprotein (IgG und IgM), ANA, ds-DNA-Antikörper, Urinstatus.
Bei kardialer Symptomatik zusätzlich CK, CK-MB, Troponin I (hs), NT-pro-BNP.
Bei Darmbeteiligung zusätzlich Gesamt IgA, Transglutaminase-IgA-Antikörper und Calprotectin im Stuhl.
Bei Kindern: immer auch Transglutaminase-IgA-Antikörper und IgA gesamt.Evtl. Lymphozytensubpopulationen, MBL (Mannosebinding lectin), Cortisol-Tagesprofil im Speichel, Immunglobuline IgG, IgA und IgM sowie IgG-Subklassen, Zytokine TNF-alpha und Interleukin-6 sowie löslicher Interleukin-2-Rezeptor, SARS-CoV-2 IgG qn Spike protein (Immunität nach Infektion oder Infektion) und/oder SARS-CoV-2 IgG Nucleocapsid (Immunität nach Infektion), EBV-VCA-IgM und -IgG, EBNA-IgG. Vitamin B1, B6, Folsäure, Zink
Mindestens drei Monate dokumentiert nach unten stehendem Therapieschema behandeln inklusive 10 Min. passiver Stehtest und Behandlung von POTS oder OH medikamentös und nicht-medikamentös, Physiotherapie und/oder Ergotherapie zum Erlernen von Pacing, Antihistaminika, Ernährungsberatung, eingehende Beratung zum Schutz vor weiteren Infektionen, siehe Therapieschema ganz unten!
Die Autorin ist bestrebt, diese Informationen korrekt und dem aktuellen Wissensstand entsprechend wiederzugeben, doch sie übernimmt keinerlei Gewähr hinsichtlich inhaltlicher Richtigkeit, Genauigkeit, Aktualität und Vollständigkeit. Aus den zur Verfügung gestellten Informationen bzw. deren Nutzung lassen sich keinerlei Rechte ableiten. Medizinische Ratschläge sind nach bestem Wissen und Gewissen erteilt und werden auf eigenes Risiko hin befolgt. Dr. med. M. Strasser haftet für keinerlei Schäden, die aus der Nutzung dieser Empfehlungen entstehen könnten.
Da bei Long Covid unterschiedliche Pathomechanismen involviert sind [i] und zum jetzigen Zeitpunkt keine Diagnostik besteht, welche das Ansprechen auf eine Therapie eindeutig vorhersagt, empfehle ich, gleich mit einem ganzen Paket von Therapien zu beginnen (Physio- und/oder Ergotherapie für Erlernen von Pacing, Antihistaminika, Ernährungsberatung, mehrere Nahrungsergänzungsmittel, Therapie des Posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms oder einer Orthostatischen Hypotonie sowie Impfung).
Ein Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom oder eine Orthostatische Hypotonie müssen proaktiv gesucht werden. Sie äussern sich unspezifisch, s. Graphik (Quelle: TikTok user: @kelseyybeth).
Auch das Mastzellenaktivierungssyndrom manifestiert sich unspezifisch, deswegen grundsätzlich Antihistaminika probieren, s. Graphik (Quelle: TikTok user: @kelseyybeth).
Ein Teil der medikamentösen Therapien ist off-label. Die Patient:innen sollten entsprechend aufgeklärt und bei der komplexen, multimodalen Therapie adäquat begleitet werden.
Bei fehlender Wirkung sollten Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel nach frühestens 10-12 Wochen sequentiell abgesetzt werden. Dabei bitte beobachten, ob nach Absetzen vielleicht doch eine Verschlechterung eintritt.
Die Therapie des Post Vac Syndroms ist grundsätzlich gleich wie die von Long Covid, ausser dass keine erneute Impfung empfohlen werden darf.